Denken und HandelnIm Lebensbuch lesen

Im Lebensbuch lesen

Hat das, was geschieht, einen Sinn, oder passieren die Dinge einfach so? Es gibt wohl niemanden, der sich diese Frage nicht stellt. Big Bang oder Karma? Alles Zufall oder Konsequenz des eigenen Handelns? Oder mischt da jemand von oben mit? Es ist eine Frage der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen: Glaube ich, dass ich sowieso nichts tun kann und lebe entsprechend, oder kann ich mich darauf einlassen, dass die Ereignisse, die mir begegnen, etwas mit mir zu tun haben?

In Anlehnung an das biologische Dekodieren, eine ganzheitliche Methode zur Ursachenerklärung von Krankheiten (1), hat der französische Therapeut Jean-Philippe Brébion, Erfinder der Bioanalogie (2), eine Methode entwickelt, mit deren Hilfe man nicht nur im Körper, sondern auch in den Lebensereignissen regelrecht lesen kann. Er ist einer der Therapeuten, die ihre Patienten fragen, wofür sie ihre Krankheit brauchen. Endlich Zeit für sich? Andere kümmern sich um uns? Nicht mehr arbeiten müssen? Wozu ist etwas „Schlechtes“ auch „gut“?

In einer dualen Welt hat alles zwei Seiten. Dem Negativen steht das Positive gegenüber, dem Problem die Lösung. Ja oder nein, dafür oder dagegen, schwarz oder weiß, gut oder schlecht, entweder das eine oder das andere — es ist nicht möglich, die Freude ohne die Trauer kennenzulernen, die Stärke ohne die Schwäche, die Kälte ohne die Wärme. Stets bewegen wir uns zwischen beiden Polen und pendeln mehr oder weniger stark zu den Extremen hin.

Tier oder Mensch?

Die Dualität ist dem Animalischen zugeordnet. Hier geht es in erster Linie ums Überleben und um die Befriedigung der Instinkte. Drei Hauptaspekte bestimmen das Überleben: Fortpflanzung, Nahrung und Verteidigung des Territoriums. Hierum geht es auch in der aktuellen Politik. Bald, darauf wird mit Unterstützung der Systemmedien hingearbeitet, wird es ums nackte Überleben gehen.

In unserer animalischen Biologie gibt es nur das eine oder das andere: Freund oder Feind? Wie sollte es auch anders sein bei den verbesserten Affen, die wir laut der Evolutionstheorie sind? Kaum fühlen wir uns bedroht, bleibt uns nur, uns tot zu stellen, zu fliehen oder anzugreifen. Wie die Tiere lassen viele sich in Gehege treiben und das Zeichen ihres Besitzers verpassen, wenn man ihnen nur antrainiert zu glauben, es sei für ihren Komfort oder ihre Sicherheit.

Universitäten, Politik und Medien aktivieren unsere Intelligenz bezüglich des animalischen Überlebens. So werden Menschen kriegstüchtig gemacht. Die Entwicklung dessen, was einen Menschen im Unterschied zum Tier ausmacht, wird nicht nur vernachlässigt, sondern regelrecht ausgeklammert: Bewusstsein.

Während die Technologie, mit der wir kontrollieren und zerstören können, immer weitergetrieben wird, bleibt das Menschliche auf der Strecke.

Zwischen Ping und Pong

Das Gesetz des Prinzips, die Evidenz, dass alles einen Sinn hat, ist etwas für diejenigen, die sich dieser Entwicklung verweigern, dem Strang der Menschheit also, der die weitere Entfaltung des Bewusstseins wählt (3). Zur Illustration stellt Jean-Philippe Brébion seiner Methode eine kleine Geschichte voran: Ein armes Bauernpaar bekommt ein Pferd geschenkt. Was für ein Glück! Der älteste Sohn fällt vom Pferd und bricht sich ein Bein. Was für ein Unglück! Krieg bricht aus, und er kann nicht eingezogen werden … Hieran wird deutlich, dass etwas, was auf den ersten Blick gut erscheint, schlecht sein kann und umgekehrt.

Wer in der Dualität bleibt, ist an die Reaktion gefesselt und wird wie ein Pingpongball zwischen den Gegensätzen hin- und hergeworfen.

Wie das dressierte Hündchen laufen wir dem hinterher, was wir wollen, und kläffen das an, was wir nicht wollen. Wer aus diesem Rad des Schicksals, wie die Buddhisten es nennen, aussteigen will, muss sich dafür öffnen, dass es einen anderen Blickpunkt gibt, die Dinge zu sehen.

Es geht darum, im Rad des Schicksals quasi in die Mitte zu kommen. Hier finden wir einen Standpunkt, von dem aus gesehen die Ereignisse nicht entweder positiv oder negativ erscheinen und der Betrachtende nicht in der Dualität zwischen Aktion und Reaktion hin- und hergetrieben wird. Wer das Drama nicht immer weiterschreiben will, hört damit auf, die Dinge zu werten und sie in positiv und negativ einzuteilen.

Von der Dualität zur Trinität

Wer wertet, unterbricht die Einheit des Lebensflusses. Er pickt sich ein Detail heraus, untersucht es, nimmt es auseinander, bildet sich ein, etwas verstanden zu haben, und hat in Wirklichkeit nichts verstanden. Denn die Ereignisse sind nur aus den Zusammenhängen heraus erfassbar. Wer das Ganze ignoriert und die Interdependenz der Dinge nicht sieht, der kann nur kaputtmachen.

Was ein Ereignis auch in uns auslöst — Freude, Begeisterung, Trauer, Angst, Wut —, werten wir es nicht. Es ist, was es ist. Unsere Wut macht ein Ereignis nicht schlechter, unsere Freude es nicht besser. Ein anderer kann es ganz anders sehen und ganz andere Gefühle dabei haben, die gleich gültig sind. Es geht darum, sozusagen gleichgültig zu werden, neutral dem gegenüber, was geschieht. Das heißt nicht, dass uns alles egal ist und wir unser Herz verschließen. Es geht vielmehr darum, das Herz zu öffnen, einen Raum in uns zu schaffen, in dem die Dinge in Frieden miteinander sein können.

Hier kommt ein drittes Element ins Spiel.

Bei der Liebe werden aus eins und eins nicht zwei, sondern drei. Das Kind entsteht aus der Begegnung von Frau und Mann. Alle drei existieren nur im Zusammenhang: Die Mutter ist nicht Mutter ohne den Vater und das Kind, der Vater nicht Vater ohne die Mutter und das Kind nicht Kind ohne die Eltern.

Alle drei sind jedoch gleichzeitig zu hundert Prozent Individuum. Das gilt für uns alle, die wir auf der Welt sind: Wir sind einzigartig und eins zugleich, verbunden und nicht isoliert.

Hiernach ist nicht die Zwei, die Dualität, das Prinzip des Lebens, sondern die Drei, die Trinität. Zwischen Mutter und Vater gibt es das Kind, zwischen Himmel und Erde einen Horizont, einen Raum, in dem wir uns begegnen. In der Bioanalogie gibt es ein Oben, ein Unten und eine Mitte. Gestern, heute, morgen — links, mittig, rechts — negativ, neutral, positiv: Das Leben findet in dem Raum zwischen innen und außen statt. In dieser Leere kann die Dualität überwunden werden, das Freund-Feind-Denken, die ewige Jagd.

Das Unbekannte als Tor

Es braucht die Leere, um sich begegnen zu können. Begegnung bedeutet, sich auf etwas Unbekanntes einzulassen. Wir begeben uns in einen Raum, den wir noch nicht kennen und in dem wir etwas Neues erfahren. Sich dem zu widersetzen, heißt, die Entwicklung des Lebens in sich zu stoppen. Die Leere ist sozusagen der Motor der Evolution. Das zu ignorieren, würde bedeuten, das dynamische Prinzip des Lebens zu negieren.

„Die Realität befindet sich in der Interaktion, nicht in den Objekten“, erkannte der französische Molekularchemiker Marc Henry. In einem Experiment hat er alle Noten eines Musikstückes geändert und nur die Intervalle beibehalten. Das ursprüngliche Stück blieb erkennbar! Ohne Abstände wäre dieser Text nicht lesbar. Daraus kann geschlossen werden, dass sich die Information in der Leere befindet. Die Materie strukturiert sie. Aber die Leere verbindet die einzelnen Teile. Sie ist der eigentliche Dirigent des Orchesters.

Sich auf die Leere einzulassen, bedeutet letztlich, auch dem Tod in die Augen zu schauen. Üblicherweise denken wir, der Tod stünde uns bevor. Man kann es auch anders sehen. Tatsächlich liegt immer die Geburt vor uns. Stirbt nicht die Blüte in die Frucht hinein? Das Neue kann kommen, wenn das Alte geht. Sich an das Alte zu klammern, bedeutet, im Vergangenen zu leben. Platziert man hingegen das Neue vor sich, die Geburt also und nicht den Tod, können wir in der Mitte sein, im Augenblick, in einem permanenten und kreativen Erleben.

Es ist Liebe

Jedes Mal, wenn wir auf etwas Bekanntes zugehen, gehen wir gewissermaßen auf den Tod zu. Leben bedeutet, sterben zu lernen, in jedem Augenblick, um auf das Neue zuzugehen. Erst dann wird etwas zu einer wirklichen Begegnung, wenn keine Intention, keine Erwartung, keine Forderung daran gebunden ist. Was von vornherein programmiert ist, ist nur ein Manöver, mit dem wir uns selbst abzusichern versuchen, um das eigene Bedürfnis nach Anerkennung und Liebe zu befriedigen.

Wirkliche Beziehungen finden jenseits des Kalküls statt. Sie sind nicht designbar, nicht kontrollierbar und nur in einem Raum der Freiheit erlebbar, in dem sich jeder ungehemmt entwickeln kann. Das ist Liebe. Liebe ist, von der Dualität, vom Entweder-oder, von schwarz oder weiß, positiv oder negativ, oben oder unten, zu einer Trinität zu gelangen, die den Raum zwischen zwei Menschen miteinschließt und wirkliche Begegnung ermöglicht.

Liebe entsteht in der Leere einer Begegnung ohne Erwartungen, dann, wenn jeder in seiner Wahrheit ist.

Wer in Erwartungen, Zwängen oder Absichten verhaftet ist, lässt das Leben sich nicht frei entwickeln. Er ist auf das Vergangene ausgerichtet und gibt dem Zukünftigen keine Chance. Der Weg, der hier herausführt, ist eine Buschpiste ohne Straßenschilder und Leuchtreklame. Den Mut, ihn zu gehen, schöpfen wir aus dem Wissen, dass alles im Leben im Dienste der Evolution und der Entwicklung des Bewusstseins steht. Hier ist alles möglich.

Vom Überleben zum Leben

Auf diesen Erkenntnissen baut Jean-Philippe Brébion seine Methode auf. Sie sind die Voraussetzung dafür, in die Neutralität zu gelangen, die notwendig ist, um sich nicht im ständigen Werten zu verausgaben. Anstatt die Lebensereignisse einzuordnen und zu sortieren, macht er gewissermaßen die Schublade auf und bietet ein Werkzeug an, mit dem das Leben zu einem Spiel wird. Wir müssen unsere Zeit nicht mehr damit totschlagen, Kreuzworträtsel und Sudokus zu machen oder auf Bildschirmen anderen beim Leben zuzusehen, sondern machen unser eigenes Leben zu etwas wirklich Spannendem.

Um für das Abenteuer der aktiven Neutralität anzutreten, braucht es zunächst einen Orientierungspunkt. Wo stehe ich? Orientierung gibt mir das, was mich bewegt. Es befindet sich innerhalb von mir. Sonst würde es mich nicht bewegen. Das Ereignis stellt mir die Frage: Was willst du? Willst du so leben? Angetriggert wird ein Potenzial in mir, das noch nicht zur Entfaltung gebracht wurde. Ich habe das, was ich in der Begegnung erfahre, noch nicht integriert.

Nur das berührt mich unangenehm, was ich noch nicht verdaut habe. Das Ereignis zeigt mir, wo ich noch nicht in Frieden bin, und gibt mir Gelegenheit, mich zu versöhnen. Es zu verdrängen, also die Realität zu leugnen, hindert mich daran, das Wesentliche daraus zu lernen und mich weiterzuentwickeln. Erst wenn ich mich gewissermaßen dem Ereignis hingebe, gibt es seine Information frei.

Das schöpferische Prinzip erkennen bedeutet, aufzuhören, nach dem Sinn zu suchen. Wir erlauben es dem Leben, Sinn in uns zu entwickeln, indem wir ihm in uns einen Raum anbieten, in dem es sich frei entfalten kann.

Sich nicht mit den Ereignissen identifizieren, lernen, aus dem Gefühlsstrudel auszusteigen, den bestimmte Ereignisse in uns auslösen, und aus einer klaren, unverfälschten Neutralität heraus handeln: Das ist der größte Gefallen, den wir uns und der Menschheit angesichts der globalen Erschütterungen tun können.

Das Potenzial freilegen

Anstatt das Leben zu ertragen oder dagegen anzukämpfen, können wir lernen, im Lebensbuch zu lesen. An einer Reihe von Ereignissen veranschaulicht Jean-Philippe Brébion, wie es funktioniert. Mit dem Auto von der Straße abzukommen, ist eine Einladung, aus der vorgegebenen Spur auszubrechen und seine Gewohnheiten und Routinen zu hinterfragen. Die Karosserie repräsentiert unser Aussehen und unseren Schutz. Wird sie beschädigt, steht unser Image auf dem Spiel. Sie veranschaulicht also die Notwendigkeit, uns auch in unserer Unvollkommenheit zu zeigen.

Wird uns etwas gestohlen, stellt sich die Frage, wem oder was im Leben wir nicht den richtigen Wert zugestehen. Trennung oder Scheidung sind eine Einladung, sich und andere als einzigartig und unvergleichbar anzuerkennen, Kündigung am Arbeitsplatz, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und Schlüsselverlust, keine „fertigen Schlüssel” zu erwarten, um die Türen des Lebens zu öffnen. Ein Sturz ist eine Aufforderung, konkreter zu werden, der Verlust der Papiere, aufzuhören, den eigenen Wert zu rechtfertigen, und der Verlust des Portemonnaies, seinen eigenen Wert nicht mit anderen zu vergleichen.

Wir müssen nicht jedem Ereignis einen Sinn gehen. Es reicht zu wissen, dass es einen hat. Was auch geschieht: Alles ist ein Hinweis auf unser Entwicklungspotenzial. So können auch die globalen Ereignisse unter einem anderen Blickwinkel betrachtet werden. Es heißt, die magnetischen Pole der Erde werden sich umkehren. Positiv wird negativ und negativ positiv. Ein neutraler Standpunkt hält uns im Gleichgewicht, wenn es rundgeht. Probieren wir es aus.

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