
Zwischen Erde und Himmel
Wie gehen wir mit den Herausforderungen unserer Zeit um? Wie kommen wir möglichst gut durch unseren Alltag? Und wie kommen wir ins Handeln, um diese Welt nach unseren Vorstellungen umzugestalten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Frau, die als Deutschlands Räucherexpertin Nummer eins bezeichnet wird. Christine Fuchs geht es nicht um die Flucht in schöne Traumwelten, in denen alles noch irgendwie in Ordnung ist, sondern ganz konkret darum, woraus wir heute Kraft schöpfen können.
Oft hängt spirituell orientierten Menschen der Verdacht einer gewissen Weltflucht an. Das Problem ist real. Vor allem angesichts von Notlagen und Krisen neigen wir dazu, die Wirklichkeit auszuklammern und uns in künstliche Welten zurückzuziehen. Was unerträglich ist, wird abgespalten. So schafft sich mancher eine Überlebensblase, in der er weiter existieren kann.
Spiritual Bypassing heisst diese Tendenz des Menschen, psychologische und emotionale Herausforderungen mit spirituellen Praktiken zu umgehen. Die Formen der Vermeidung sind vielfältig. Neben der Neigung, sich Positivität und Glückseligkeit einzubilden, stets im Beobachter-Bewusstsein zu leben, alles Unangenehme aus der Wahrnehmung zu entfernen oder zu glauben, alles sei gut so oder so bestimmt, gibt es die Tendenz, alles zu intellektualisieren oder auf die greifbare, praktische Realität fokussiert zu bleiben und alles andere auszuklammern.
Wohl jeder Mensch hat seine Vermeidungsstrategien, um nicht dem ins Auge zu blicken, was ist. Ich spreche mit Christine Fuchs darüber, wie uns die Technik des Räucherns erden kann und welche Hindernisse und Möglichkeiten sie sieht, das Geistige wieder mit dem Materiellen zu verbinden. Wie kann es uns gelingen in einer Welt, die immer schneller, immer digitalisierter, immer komplexer und immer verrückter wird, wieder Boden unter den Füssen zu bekommen?
Zeitpunkt: Liebe Christine, du bist mit deiner Arbeit ein Beispiel dafür, dass Spiritualität kein abgehobener Raum ist, sondern gewissermassen ein Werkzeug, sein Leben nach dem eigenen Willen zu gestalten. Wie bist du darauf gekommen, dass Räuchern dabei helfen kann?
Christine Fuchs: Wie so oft im Leben: Biographische Umbrüche haben mich zum Räuchern gebracht. Eine Trennung, die damit verbundene Energie in der Wohnung, in der ich geblieben bin. Der Wunsch, die Atmosphäre zu reinigen, eine Freundin, die mir Kräuter zum Räuchern brachte. Ich hatte keine Ahnung von der Anwendung, habe mich dann informiert und – war fasziniert! Damals habe ich beruflich Coachings, Teamentwicklungen, etc. mit Führungskräften durchgeführt. Da geht es ja im Grunde immer darum, von einem Zustand, einer Haltung A nach B zu kommen. Manchmal sehr mühsam… Und dann ist mir da plötzlich ein Werkzeug, auch noch jahrtausendealt und in der Natur zu finden, in die Hand gelegt worden, mit dem das einfacher möglich war, als ich seither dachte. Und das auch noch wissenschaftlich erwiesen: Denn die Düfte wirken direkt auf unser limbisches System, der Steuerungszentrale unserer Psyche, Emotionen, Stimmungen. Wenn wir also wissen, wie welcher Räucherduft auf uns wirkt, können wir uns vitalisieren, regenerieren, klären, strukturieren, orientieren.
Vor allem in den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Mensch stark von der Natur und ihren Zyklen und Rhythmen entfernt. Die sogenannte Elite hat sich von der Basis abgetrennt und agiert ohne Herz und Verstand ausschliesslich in ihrem eigenen Interesse. Wie können wir wieder in die Natur, in unsere Natur zurückfinden?
Also im Grunde ist das einfach: Mal nach unten schauen. Unter unsere Füsse. Wir stehen mit beiden Füssen auf der Erde, wir sind mit deren Rhythmen verbunden. Wir nehmen ihre Energie auf. Und das ist eben kein Hokuspokus, das kann inzwischen ja alles belegt werden. Die Pflanzen sind Wesen dieser Erde. Über das Räuchern werden sie so transformiert, dass wir ihre Botschaft, ihre Wirkung direkt in uns aufnehmen. Nicht nur innerlich wie beim Tee, was ja auch enorm wirkungsvoll ist. Sondern intensiver: als die direkteste Verbindung zur Natur, die es gibt. Räuchern ist im Grunde ein alchemistischer Prozess. Wir können uns darüber wirklich mit der Natur verbinden, wir nehmen sie in uns auf. Und noch mehr: Wir können die Räucherstoffe selbst sammeln, behutsam natürlich und schonend. Aber auch das verbindet uns ja wieder mit der Natur: Rausgehen, was wächst da? Wie wirkt es? Wieso begegnet mir diese Pflanze jetzt gerade?
Viele Menschen haben die Neigung, in Situationen und Gewohnheiten hängen zu bleiben oder sich hinter anderen zu verstecken. Was kann helfen, sich in Bewegung zu setzen und in die Eigenverantwortung zu finden?
Also der erste Schritt ist schon mal sich klar zu machen, dass es so was wie Eigenverantwortung, Eigenmacht, Selbstermächtigung, Selbstwirksamkeit überhaupt gibt. Sich im Kreis zu drehen, keine Entscheidung zu treffen, usw. ist ja nicht nur Gewohnheit, es ist einfach bequem. Es ist Vermeidung. Dann kann ich immer sagen, ich war’s nicht, ich bin nicht schuld. Im Grunde sollten wir uns wieder erinnern, dass wir geistige Wesen sind mit einer Mega-Schöpferkraft. Und die trägt jeder in sich. Mit der sind wir hier inkarniert. Es gilt, sie wieder zu entdecken. Und, das klingt jetzt vielleicht banal, aber der erste Schritt kann eine Räucherung sein: Bewusst zu entscheiden, ich räuchere jetzt mit der und der Absicht, um für mich das und das zu erreichen, zu verändern. Bewusst das entsprechende Räucherwerk auszusuchen. Zu entscheiden, räuchere ich mit der Kohle oder auf dem Stövchen. Zeit einplanen, und sind es nur 10-15 Minuten, die Augen schliessen, mich Rauch und Duft hingeben, meine Absicht, mein Ziel fokussieren, wahrnehmen, wo geht meine Seele in Resonanz, was spüre ich? Das ist doch Eigenverantwortung pur, finde ich! Vor allem, wenn das Gespürte dann auch noch seinen Weg ins Aussen findet und sich die Umsetzung, das Handeln anschliesst.
Du machst Mut, unkonventionelle Wege zu gehen, Begrenzungen zu überwinden, Tabus zu brechen und zu Helden zu werden. Was sind die Helden unserer Zeit?
Für mich sind das die Menschen, die sich trauen, ihre Komfortzone zu verlassen, auch wenn es dort warm, kuschelig und super-bequem ist. Menschen, die merken, da passt was nicht mehr zu mir, und dann den Mut haben, diese innere Regung ernst zu nehmen. Wir denken ja immer, Helden sind die, von denen dann die ganze Welt weiss. Für mich sind die Helden und Heldinnen die, die die Bequemlichkeiten, Gewohnheiten und vielleicht sogar die Sicherheitsstrukturen ihres Lebens hinter sich lassen und das tun, was sie in ihrem Innersten erfüllt, auch wenn sie dann Gefahr laufen, dass alle sie blöd finden. Wir reden immer von Seelenplan, Seelenweg. Im Grunde ist das nur ein anderer Begriff für «sein Leben in die EIGENE Hand nehmen.» Wir hatten es vorhin von «Schöpferkraft». Die heutigen Helden sind für mich diejenigen, die wieder zu ihrer Schöpferkraft gefunden und ihre Ich-Kraft – Achtung, das hat nichts mit Ego zu tun – aktiviert haben. In diesen Menschen lodert ein inneres Feuer, das spürt man wirklich bei einer Begegnung. Sie haben sich aus den Schichten von Prägungen und Konditionierungen durchgewühlt. Sie erkennen an, dass die Welt, das Leben eben nicht nur Licht und Liebe ist und wir damit oft auch nicht weit kommen. Schön wär’s natürlich. Aber um Held zu werden, braucht es manchmal auch ein Schwert. Räuchern kann genau das sein: ein Schwert! Denn die Erkenntnisse, die mir eine Räucherung schenkt, die beschönigen nichts. Das ist Rohfassung pur, was ich da zu sehen bekomme. Nur gilt es eben, danach nicht aufzuhören, sondern diese Erkenntnis ins aussen zu bringen. Das ist heldenhaft. Weil einfacher ist es natürlich, es wieder wegzudrücken, wegzureden, die «ja Abers» aufzufahren. Spiritual Bypassing lässt grüssen. Was ich damit sagen will: Räuchern kann ein phantastisches Tool werden, um dein eigener Held, deine eigene Heldin in deinem Alltag zu werden. Aber Achtung, es kann auch mal weh tun auf diesem Weg…
Dein Anliegen ist es, Netzwerke zu bilden von Menschen, die Kooperation statt Konkurrenz leben, die sich gegenseitig inspirieren und ihr Selbstbewusstsein stärken. Wie machst du das?
Um ehrlich zu sein: Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass mir das zugeschrieben wird und ich wohl tatsächlich Menschen in Verbindung bringen kann, selbst über die digitale-virtuelle-Online-Schiene. Da bin ich manchmal selbst überrascht. Freundschaften sind schon entstanden, die dann live und in Präsenz gelebt werden, nachdem sich die Menschen in meinen Onlinekursen oder der Räucherausbildung kennengelernt haben. Die einzige Erklärung, die ich habe, weshalb das wohl gelingt, ist, dass ich vermutlich die innere Haltung habe, dass mir nichts abgeht, mir nichts verloren geht, wenn ich dort, wo andere konkurrieren, in Kooperation gehe. Ich sehe vermutlich wohl eher das Potential, den Mehrwert. Und den gibt es immer. Ich habe schon mit vielen grossen Räuchermenschen in Deutschland zusammengearbeitet, sie zu Präsenzkursen und Onlineabenden eingeladen. Das war immer eine enorme Bereicherung für alle Beteiligten, für allen Teilnehmenden. Ach ja, eine weitere Erklärung könnte sein, dass ich weiss, ich kann bestimmte Dinge so richtig gut. In anderen bin ich mega-mies. Da ich aber zu bequem bin, mich da reinzuhängen, hole ich mir lieber Menschen, die das können, was ich nicht kann oder wo sie eben der Profi sind. In meiner früheren Tätigkeit in einem grossen Automobilkonzern haben mich die «Mitarbeiter-Optimierungsgespräche» immer genervt. Klar, die Stärken wurden anerkannt. Aber im Kern ging es drum, wie man jetzt noch die Schwächen ausmerzen kann. So ein Blödsinn. Ich mach doch lieber meine Stärken stärker und lagere die Schwächen aus an jemand, der genau das beherrscht. Um nochmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich liebe es einfach, wenn Menschen sich von Menschen inspirieren lassen, offen dafür sind, von anderen was anzunehmen, so dass es zu einem Mehrwert für ihre Lebensqualität wird.
Liebe Christine, ich danke dir für das Gespräch und hoffe, dass es unsere Leser inspiriert.