Frauen und MännerHinter den Kulissen

Hinter den Kulissen

Frankreich bebt. Regierungschaos, soziale Unruhen, Gefängnisantritt für Nicolas Sarkozy und ein spektakulärer Juwelenraub. Acht Schmuckstücke wurden gestohlen, darunter das Diadem der Kaiserin Eugénie, ein Schmuckensemble Königin Amélie und die Smaragdkette der Kaiserin Marie-Louise. Der Raub wird als ein Angriff auf das Wesen des Louvre, auf das Herzstück des nationalen Kulturerbes bezeichnet, auf die Kultur und die Geschichte Frankreichs, ja, auf die französische Seele selbst.

An die Seele Frankreichs freilich glaubt im laizistischen Frankreich kaum noch jemand. Sie kam mit der Französischen Revolution abhanden und fiel der Terrorherrschaft zum Opfer, der Kopf sauber vom Herzen und vom Rest des Körpers getrennt. Seitdem regiert die Ratio. Heute sind religiöse Symbole aus allen öffentlichen Institutionen entfernt und Weihnachtsmärkte heissen Wintermärkte. Auch die Erinnerung an Olympe de Gouges ist verstaubt, jene Frau, die dafür gesorgt hatte, dass es in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 nicht nur um Männer ging, sondern auch um Frauen.

Doch aus der Brüderlichkeit scheinen Frauen bis heute ausgeschlossen zu sein. Für den aktuellen Juwelenraub im Louvre wird der Museumsdirektorin und der Verantwortlichen für die Sicherheit des Museums Inkompetenz vorgeworfen – unter anderem, weil sie Frauen sind. Bei der Beute handelt es sich ausschliesslich um weiblichen Schmuck. So sind die Frauen doppelt betrogen. Allein der Raum, aus dem der wertvolle Schmuck entnommen wurde, trägt einen männlichen Namen: Apollon-Galerie. In der griechischen Mythologie war er der Gott des Lichts, der Weissagungen und der Künste, eine der höchsten Gestalten des Olymps.

Das Ereignis ist nicht banal. Dahinter steht eine Bedeutung, wie hinter dem Brand der Notre Dame de Paris, der wie ein Auftakt für die grossen Veränderungen in der Welt gesehen werden kann. Nach der religiösen geht es um weltliche Macht. Bei beiden ziehen die Frauen den Kürzeren. Warum kommt der Inkompetenz von Frauen eine solche Bedeutung zu? Wurde jemals jemand in einem Amt kritisiert, weil er ein Mann ist? Wird Männern aufgrund ihres Geschlechts nicht zugetraut, eine gute Arbeit zu machen?

Die Affäre zeigt, wie weit wir von einer wirklichen Gleichberechtigung entfernt sind. Bis auf wenige Vorzeigeexemplare bleiben Frauen von den wichtigen Posten ausgeschlossen. Und wenn sie einmal eine hohe Verantwortung übertragen bekommen, müssen sie sich doppelt anstrengen, um ernstgenommen zu werden. Frauen wird immer noch weniger zugetraut als Männern. Grundsätzlich geniessen sie bis heute weniger Ansehen als Männer, werden immer noch schlechter bezahlt und wirken überwiegend im Hintergrund.

Und ich?

Es braucht eine ehrliche Bestandaufnahme, wenn wir uns nicht unserer Schätze berauben lassen wollen. Gnothi seauton, «erkenne dich selbst»– so stand es am Eingang des Apollotempels. Wer bin ich? Wo stehe ich? Was denke ich? Glaube ich, dass Frauen letztlich doch das «schwache Geschlecht» sind, so schwach, dass vor allem sie von der Genderbewegung verdrängt werden und ihre bisherigen Schutzräume mit sogenannten Transfrauen teilen müssen? Oder begegnen sich Frauen und Männer heute wirklich auf Augenhöhe?

Möge jeder selbst in sich gehen und Antworten auf die Fragen finden. Wie nehme ich die Dinge wahr? Was bedeutet Gleichberechtigung für mich? Finde ich, dass Frauen und Männer sich heute ergänzen? Haben sie Vertrauen zueinander? Wie arbeiten sie zusammen? Werden beider Kompetenzen und Fähigkeiten geschätzt oder werden die Männer immer noch als erstes bedient?

Was hat das Ereignis mit mir zu tun? Diese Frage befreit mich davon, mich von der Informationsflut mitreissen zu lassen und in Resignation zu fallen. Was berührt das in mir? Ich lasse mich von den Nachrichten nicht mehr berieseln, sondern stelle zu den Informationen, die mich erreichen, einen Bezug her. Was bedeutet das für mich? Was macht die Information mit mir? Was sagt sie mir über mich selbst?

So bin ich kein Konsument mehr, der sich mit Informationen füttern lässt, sondern eine Art Regisseur, der die Ereignisse mitgestaltet. Ich wähle nicht nur aus, welche Informationen ich an mich heranlasse und welche nicht. Ich nutze die Gelegenheit, sozusagen hinter die Kulissen zu schauen. Hinter meine eigenen Kulissen. Inwiefern lasse ich mich berauben? Welches Feuer brennt in mir? Bin ich als Frau oder Mann in einem Selbstverständnis, das ein fruchtbares Zusammenwirken möglich macht?

Es geht nicht darum, die Welt um den eigenen Bauchnabel kreisen zu lassen. Es geht um die Befreiung von einem Verständnis, das stets die Kontrolle über die Ereignisse übernehmen will. Anstatt versuchen zu kontrollieren, kommen wir in den Austausch. Was willst du mir sagen? Nicht nur Menschen antworten. Auch die Ereignisse kommunizieren und sprechen gewissermassen zu uns. Ein Unfall kann uns zeigen, wo wir vom Weg abgekommen sind, eine Krankheit zu einer Heilerfahrung werden, ein Verlust uns helfen, das Wesentliche zu erkennen.

Wer so in die dunkle Jahreszeit geht, der muss sie nicht fürchten. Die Dunkelheit bietet Raum, sein Licht zu entzünden und andere einzuladen, sich daran zu wärmen. Anstatt zu tratschen und uns zu empören, hören wir einander zu und erzählen uns, wie es uns wirklich geht. Stellen wir die Verbindung wieder her: zu den Ereignissen, zu den anderen, zu uns selbst. Am knisternden Feuer vertrauen sich Frauen und Männer einander an, egal, was da draussen los ist, und gehen miteinander in Kontakt. Wer das tut, braucht keine neuen Netflix-Serien, um über den Winter zu kommen. Wir machen uns unser Lebensabenteuer selbst.

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