Was wäre das Leben ohne die anderen! Sie sind zu laut, zu leise, zu forsch, zu zurückhaltend, zu schön, zu hässlich. Selten sind sie richtig. Entweder wir kritisieren sie oder sie uns.
Was würden wir mit unserer Zeit anfangen, wenn wir uns nicht über andere Menschen und das, was sie tun, aufregen? Wie würden wir leben, wenn wir nicht nach ihrer Bestätigung und Anerkennung suchten, wenn wir nicht ihre Liebe erflehen, nicht mehr alles tun müssen, um ihnen zu gefallen? Wenn wir keine Mauern mehr aufbauen müssten, um uns Respekt zu verschaffen, und keine Gräben mehr ausheben, um uns zu schützen?
Wie sähe unsere Welt aus, wenn es uns gleichgültig wäre, was andere von uns denken? Wenn wir nichts mehr beweisen müssten, nichts mehr rechtfertigen? Wenn wir andere nicht mehr beschuldigen müssten und ihnen die Verantwortung für unsere Probleme übertragen? Wie wäre eine Welt, in der wir nicht versuchen würden, die Zuneigung anderer zu erschmeicheln, zu erkaufen oder zu erzwingen, wenn wir nicht mehr manipulieren müssten, nicht mehr lügen, nicht mehr kämpfen? Eine Welt, in der wir einfach so sein könnten, wie wir sind.
Was hindert uns daran, in einer solchen Welt zu leben? Würden wir uns langweilen, wenn wir uns nicht mehr für andere anstrengen müssten, sondern ganz einfach für uns selbst sorgen würden? Wäre das Leben dann noch interessant? Sind die anderen nicht das Salz unserer Tage? Wollen wir das wirklich, nur noch die eigene Suppe auslöffeln und die Nase in unsere eigenen Sachen stecken? Nicht mehr lästern nicht mehr erwarten, vermuten, anklagen, wiederkäuen und nachtragen?
Ich bin du
In unserer Zeit, so der Bewussstseinsforscher Jean Gebser, vollzieht sich ein Bewusstseinssprung. Nach dem archaischen, dem magischen, dem mythischen und dem mentalen Zeitalter erleben wir nun den Übergang in ein integrales Bewusstsein, das alle vorher erlebten Stufen integriert. Die mental geprägte Epoche, die um 1500 herum mit der Neuzeit begann, geht zu Ende – und mit ihr die Zeit, in der wir von den Extremen hin- und hergerissen waren. Entweder das eine, oder das andere. Gut oder schlecht, du oder ich.
Das integrale Bewusstsein überwindet die Projektionen vergangener Epochen, in denen wir unser Gegenüber als getrennt von uns wahrgenommen haben. Wir erfahren die Einheit des Du mit dem Ich. Wir erkennen: Was ich in dir sehe, schätze oder bekämpfe, das bin ich selbst. Die Christus-Botschaft entfaltet sich mit dem Bewusstsein, dass nur wenn wir uns selbst lieben, wir auch andere lieben können.
Was auch immer uns im anderen berührt: Es hat seinen Ursprung in uns. «Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst», so formulierte es Gandhi. «Was du anderen antust, das kommt zu dir zurück», lautet die Lehre vom Karma und: «Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde», der kategorische Imperativ. In allen geht es um dasselbe: um das Bewusstsein, dass das Aussen ein Spiegel des Innen ist.
Die Erkenntnis ist so unbequem wie befreiend. Anstatt uns an anderen abzuarbeiten, kommen wir nach Hause. Wer sich dafür entscheidet, muss sich nicht mehr darum kümmern, was man von ihm denkt und wie er vor anderen erscheinen will. Im Spiegel seines eigenen Angesichts ist es ihm unerheblich, was andere tun. Mögen sie lästern, mögen sie anklagen, ihn zurückweisen: Es ist in Ordnung.
Er ist bei sich. Und er weiss: Sein Glück hängt nicht davon ab, ob andere es ihm zugestehen. Er nährt es in sich. Statt mit allen anderen ist er mit sich selbst einig. Statt es darauf anzulegen, gemocht zu werden, ist er frei. So frei, andere nicht so zu spiegeln, dass sie ihn mögen, so frei, sich selbst so zu nehmen, wie er ist, so frei, es zuzulassen, auch nicht geliebt zu werden.
Wenn wir das tun, wenn wir unsere eigenen Schwächen und Schatten nicht mehr auf andere projizieren, wenn wir endlich im anderen den Spiegel erkennen, dann ist der Bewusstseinssprung vollbracht. Dann ist Frieden. Dann können wir damit beginnen, unsere Welt so zu machen, wie sie uns gefällt.
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